Ein Tag in Porvoo
Eines der wohl populärsten und bekanntesten Ausflugsziele Südfinnlands ist die kleine Stadt Porvoo, nordöstlich von Helsinki. Porvoo ist offiziell zweisprachig, ca. 30 % der rund 50.000 Einwohner haben Schwedisch als Muttersprache, was ein wirklich hoher Anteil für heutige Verhältnisse ist. Die Zweisprachigkeit begegnet euch überall, nicht nur, dass ihr Schwedisch auf der Straße hört, auch viele Gedenktafeln sind auf Schwedisch, Menükarten und natürlich Straßenschilder. Porvoo ist nach Turku die zweitälteste Stadt Finnlands und die wunderschöne Altstadt bietet eine beliebte Fotokulisse bei Touristen. Auch mich haben die Schönheit und der Charme der traditionellen skandinavischen Holzhäuser verzaubert, noch mehr begeistert hat mich aber die Vielseitigkeit der Stadt, die vielen unterschiedlichen Ecken der neuen und alten Viertel, die zusammen ein immer harmonischer werdendes Stadtbild bilden.
Das historische Viertel
Die roten Holzhäuser am Ufer des Flusses Porvoo sind das Wahrzeichen der Stadt. Diese Häuser waren ursprünglich als Lager errichtet worden, da Porvoo ein wichtiges Handelszentrum war. Zu Ehren des schwedischen Königs Gustav III. wurden sie mit der typisch roten Farbe bemalt. Über den Fluss ist das kleine Städtchen mit dem finnischen Meerbusen verbunden und kann wunderbar mit dem Boot erreicht werden.
Das alte Porvoo hat den Flair eines riesigen Freilichtmuseums, mit dem kleinen Unterschied, dass die Häuser bewohnt sind und somit auch dieser Teil der Stadt voller Leben ist. Mit einem Wort, Porvoo ist charmant. Sowohl der neue als auch der alte Teil. Die Altstadt hat dazu noch einen sehr romantischen Charakter, der durch die vielen liebevoll erhaltenen Häuser, die kleinen Cafés, Restaurants und Boutiquen besticht.
Porvoo ist sogar wortwörtlich ein süßes kleines Städtchen, denn hier gibt es gleich zwei Schokoladenfabriken: Pieni Suklaatehdas und Brunsberg. Letztere ist vor allem für ihre Schaumküsse und Toffee Palat mit Karamell- oder Lakritzfüllung bekannt. In dem kleinen Laden am Rande der Altstadt könnt ihr die verschiedenen Leckereien probieren und natürlich auch kaufen.
Der Dom von Porvoo
Der Dom von Porvoo (Porvoon tuomiokirkko) ist die Bischofskirche des schwedischsprachigen evangelisch-lutherischen Bistums Borgå — dennoch werden hier auch finnischsprachige Gottesdienste abgehalten. Der Steinbau der Kirche stammt bereits aus dem 14. Jahrhundert, als Besonderheit gilt der freistehende Glockenturm. Die Kirche wurde seit ihrer Erbauung immer wieder von Bränden heimgesucht, zuletzt vor fast genau 10 Jahren am 29. Mai 2006. Das Holzdach wurde dabei vollständig zerstört, der steinerne Innenraum wurde hingegen nur wenig beschädigt. Auch wenn sich der Schaden in Grenzen gehalten hat, kann sich wohl jeder vorstellen, welche Gefahr ein solcher Brand für die umliegenden Holzhäuser darstellt.
Antiquitäten
Wer auf der Suche nach besonderen Schätzen aus unterschiedlichen Epochen ist, der sollte dem Antiquariat Tuulan Aitta in einem der roten Lagerhäuser einen Besuch abstattet. Kristallgeschirr von Iittala, dass immer noch sehr beliebt und teuer ist, oder Klassiker von Arabia – hier könnt ihr das eine oder andere Schnäppchen machen. Auch im Alten Bahnhof solltet ihr vorbei schauen. Das Antiquariat befindet sich etwas außerhalb der Altstadt, ist bei der Ankunft mit dem Auto oder Bus aber eigentlich nicht zu verfehlen.
Der moderne Teil Porvoos
Nach dem 2. Weltkrieg war Wohnraum knapp und in den Städten mussten vor allem die Holzhaussiedlungen Platz für modernes Wohnen auf geringem Raum machen. In Porvoo blieb das historische Viertel erhalten und die moderne Stadt wurde einfach daneben gebaut. Das sorgt für einen großen Kontrast zwischen den beiden Stadtteilen. Der moderne Teil Porvoos besteht aus vielen Bauten im Stil der 50er und 60er Jahre und ist, wie in Finnland typisch, sehr quadratisch angelegt. Ich fand den Wechsel von dem alten idyllischen Viertel auf den neuen Teil recht abrupt, plötzlich ist man wieder in der heutigen Zeit angekommen. Wenn man sich von dem kleinen Schock erholt hat und sich auch auf den Rest der Stadt einlässt, hat diese aber auch viele schöne Ecken zu bieten, zum Beispiel den Hafen. Auch wenn Porvoo keine Küstenstadt ist, kann man sie sehr wohl als eine kleine Hafenstadt bezeichnen, denn dieser macht den Charme des neuen Porvoos aus. Hier liegen viel kleine und größere Motorboote vor Anker und wenn ihr euch in eines der Cafés am Ufer setzt könnt ihr bei einem Eis die maritime Atmosphäre genießen.
Als Tourist fiel es mir im ersten Augenblick schwer die beiden Stadtteile als eine Einheit zu sehen, aber genau das sind sie. Der Übergang, welcher mir zunächst sehr abrupt vorkam, kann eigentlich besser als fließend beschrieben werden. Die Stadt lebt genau von diesem Gegensatz und mittlerweile ist es den Stadtplanern gut gelungen Brücken zwischen beiden Teilen zu bauen und das nicht nur im übertragenen Sinne: Der Fluss, welcher sowohl durch den historischen als auch den modernen Teil der Stadt fließt, schafft eine Verbindung und gleichzeitig einen gemeinsamen Mittelpunkt. Vor allem im Sommer ist das Hafengebiet Jokiranta lebendig und der Treffpunkt für Einheimische und Touristen gleichermaßen. Über die neue Brücke der Aleksanterinkatu gelangt ihr auf die andere Seite, hier entsteht das Porvoo der Zukunft. Die neuen Holzhäuser sollen auf der einen Seite modernes Wohnen verkörpern, sich aber auf der anderen Seite optisch an die gegenüberliegenden roten Lagerhäuser anpassen und so alt und neu mit einander verbinden. Dieser Gegensatz ist es, der Porvoo ausmacht. Beide Teile gehören zum Stadtbild und zum Stadtgefühl.
Bekannte Einwohner:
Porvoo ist seit Jahrhunderten die Heimat vieler finnischer Künstler, aber der wohl berühmteste Einwohner war Johan Ludvig Runeberg (1804 — 1877). Seine Frau Fredrika Charlotta Runeberg die ebenfalls Schriftstellerin war, stammte gebürtig aus der kleinen Stadt. Das Haus des finnischen Nationaldichters ist heute ein Museum und gibt euch einen guten Einblick in das Leben der Finnen in der Mitte des 19. Jahrhundert.
So kommt ihr hin:
Es gibt einen täglichen Bustransfer vom Busbahnhof Helsinki, unterhalb des Kamppi Einkaufszentrums. Die Fahrt dauert ca. 50 Minuten.
Oder mit dem Schiff: Die M/S J.L. Runeberg verkehrt vom 11. Mai und 10. September zwischen Helsinki und Porvoo. Die Fahrt dauert 3,5 Stunden und ihr habt 2,5 Stunden, um euch die Stadt anzuschauen, bevor es zurück in die Hauptstadt geht. Ein wirklich schöner Sommerausflug